Wieviel Regeln braucht ein Team?
In Krisen haben Führungskräfte oft das Gefühl, dass sie die Kontrolle verlieren. Insbesondere, wenn die Krise durch äußere Umstände und nicht durch einen selbst entstanden ist. So wie zum Beispiel die aktuelle Corona-Krise. Das Gefühl nicht mehr selbstwirksam zu sein kommt auf. Gleichzeitig wollen die Mitarbeiter Lösungen und Entscheidungen von den Führungskräften, die sie aus der Krise führen. Auf einmal ist nicht mehr Leadership die Priorität im Alltag, sondern man braucht Entscheider und Macher, die anpacken und schnell handeln. Eine Führungsrolle, die in Zeiten von Wachstum und Sicherheit in den Hintergrund tritt, da Themen, Projekte und Visionen entwickelt werden können. in der Krise ist aber Handeln und schnelle Entscheidungen gefragt. Dieser Managertyp war in den letzten Jahren weniger gefragt und damit ist er auch weniger zu finden in den Führungsebenen.
Wenn vor der Krise Führungskräfte leichter ins Risiko gehen konnten, weil ein Ausgleich leichter durch Wachstum aufzuholen war, so müssen in der Krise viele Organisationen von ihren Reserven zehren und können diese nicht so leicht aufs Spiel setzten. Das schafft Druck bei den Führungskräften. Sie brauchen Stabilität und etwas auf das sie sich verlassen können. Der Drang die Kontrolle wiederzuerlangen wächst. Da sind Regeln ein Instrument, in dem man schnell das Gefühl hat, dass man wieder etwas im wahrsten Sinne des Wortes geregelt bekommt. Aber ist das wirklich der beste Weg?
Wieso sollten Führungskräfte in Krisen-Situationen auf noch mehr Regeln verzichten?
So verständlich der Wunsch nach Klarheit und klaren Handlungsanweisungen ist, so empfehle ich, dieser Versuchung zu widerstehen. Denn Regeln und Vorschriften geben nicht nur Orientierung und Sicherheit. Sie können die selbstbestimmte Kultur, die viele Unternehmen gerade auch im Zuge von New Work und Agilität sich erarbeitet haben, relativieren und im schlimmsten Fall zunichte machen.
Werden die Regeln strikt und konsequent kontrolliert, führt dies zu vielen negativen Effekten, die gerade in der Krise nicht gefragt sind:
Die Tendenz bestehende oder vorgegebene Regeln zu hinterfragen und ggf. diese auch bewusst nicht einzuhalten, wenn die Situation es erfordert, sinkt. Mitdenken und Hinterfragen nimmt im Team ab und eine Kultur des Absicherns kann entstehen: Bevor man einen Fehler macht oder eine Regel bricht, lieber nochmal nachfragen oder es sein lassen. Damit verliert man im Team die Chance auf Diskussionen, schnelles und situatives Handeln und kreative Lösungen. Gleichzeitig entsteht eine Atmosphäre der Angst vor Fehlern und Sanktionen.So fördern Regeln ein Verhalten, das von Passivität und Reaktivität geprägt ist. Krisen brauchen jedoch aktives Handeln und vorausschauendes Denken. Dabei brauchen Mitarbeiter während Krisen die Möglichkeit, sich weiter auszuprobieren und neue Richtungen gehen zu können. Dadurch entstehen Wege aus der Krise und Innovationen für die Organisation können gefunden werden. Hinzu kommt, dass das Team sich mehr auf die Einhaltung von Regeln konzentriert, anstatt sich zu fragen, was unsere Kunden aktuell am meisten brauchen. Es stellt sich die Frage:
Welche Lösungen können wir gerade anbieten?
Welche Bedürfnisse können wir gerade mit unserer Dienstleistung oder unserem Produkt erfüllen und das auch jenseits der Grenzen, die wir uns selbst auferlegt haben. Regeln bilden in diesem Fall eine Komfortzone, in der sich nicht mehr jeder fragen braucht, was jetzt erwartet wird und erforderlich ist, sondern was erlaubt ist und was nicht.
Je mehr auf die Einhaltung von Regeln geachtet wird, umso mehr dienen sie den Mitarbeitern als Ausrede sich nur noch darauf zu konzentrieren. Sie tun das, was von ihnen erwartet wird, da es die Regeln verlangen. Was aber in dieser Situation das Richtige ist oder dem Erreichen des Ziels dient, wird nicht mehr hinterfragt.Doch es braucht gerade in Krisen Freiheiten beim Denken, damit neue Wege gefunden werden können, die aus der Krise führen. Alte Denkmuster funktionieren nicht mehr in der Krise, denn die Rahmenbedingen haben sich gändert. Deshalb braucht es einen Raum für alle im Unternehmen, der angstfrei genutzt werden darf, um neue Ideen durchzuspielen und auch auszuprobieren. Dies schafft neben konkreten Lösungen auch eine Aufbruchstimmung und den Blick in die Zukunft. Damit können alle im Unternehmen eine neue Perspektive für die Zukunft sehen und dies hält auch in schwierigen Zeiten die Motivation aufrecht. Das Unternehmen schafft es so statt in Passivität zu verharren in eine Phase zu kommen, in der Aktivität, Mut und Zuversicht möglich sind. Dies hilft durchzuhalten, Geduld mit sich, den Umständen und den Kollegen zu haben. Die Handlungsfähigkeit kehrt zurück und basiert auf echten Lösungen (anstelle des Aufstellens von Regeln).
Was Krisen brauchen:
Wenn Regeln nicht die Lösung in Krisenzeiten sind, worauf kommt es dann an?
Zunächst bedarf es einem gemeinsamen Vertrauensverhältnis: Die Mitarbeiter müssen Vertrauen in die Führungsebene haben, dass diese besonnen und mit dem nötigen Überblick Entscheidungen treffen können. Auch wenn nicht alles rund läuft, sollten die Mitarbeiter loyal gegenüber dem Unternehmen sein und nicht gleich Fluchtgedanken bekommen, weil das Gras auf der anderen Seite aktuell grüner und satter erscheint.
Die Führungsebene braucht auch Vertrauen in die Mitarbeiter, deren Leistungsbereitschaft und Können. Dieses sollten die Führungskräfte jetzt besonders schätzen und auch einsetzten, denn die Mitarbeiter können mit ihren Meinungen und Ideen die Entscheidungen der Führungskräfte vorbereiten und wichtige Details oder Perspektiven benennen. Dies funktioniert nur, wenn alle -Führungskräfte und Mitarbeiter- angstfrei Arbeiten können und Freiraum zum Ausprobieren bleibt.
Das Leitungsteam muss zusätzlich für klare Strukturen und Kommunikation sorgen. Hier gilt es nichts zu beschönigen und auch unpopuläre Entscheidungen deutlich mit einer klaren Argumentation zu kommunizieren. Dies ermöglicht auch gleichzeitig den Raum, um neue Perspektiven aufzuzeigen: Wenn wir die aktuelle Situation bewältigt haben, dann werden wir auch unsere Ziele erreichen. Oft bieten Krisen auch Chancen, da man gezwungen ist neue Wege zu gehen. Wir alle erleben gerade, wie schnell wir uns auf die Digitalisierung umstellen und auf neue Kommunikationswege einstellen müssen. Selbst wenn der persönliche Austausch nach der Krise bevorzugt wird, bleibt die digitale Kommunikation ein fester Bestandteil des Alltags. Da wir durch die Krise gezwungenermaßen gelernt haben, mit dieser umzugehen, wodurch auch die Angst verloren gegangen ist.
Um allen in der Organisation Sicherheit zu bieten, sollten Werte, Visionen und die Orientierung an diesen eine größere Bedeutung erlangen. Diese bieten die Möglichkeit, dass Erwartungen, Ziele und Rollen klar definiert sind und jeder in seinem Verantwortungsbereich Entscheidungen treffen kann, die der Situation und dem Unternehmensziel gerecht werden.
Das heißt jedoch nicht, dass man nicht auch kritisch auf das schauen darf, was gerade in der Organisation ist. Im Gegenteil, die Organisation sollte die Krise nutzten, um zu hinterfragen:
- Was braucht es jetzt gerade, was wir nicht machen?
- Was brauchen wir nicht mehr?
- Was können wir anders machen?
- Welche Anforderungen haben sich geändert? Wo müssen wir aufholen? Was müssen wir für die Zukunft dazu lernen?
Fazit:
Krisen verändern die Anforderungen und Erwartungen an Führungsteams. Die Schwerpunkte ihrer Aufgaben und Ihrer Entscheidungen ändern sich: weg von Entwicklung und Wachstum, sowie Chancen erkennen und kreieren. Sondern hin zu schnellem sammeln von Fakten, Daten und Marktgeschehen, raschen Entscheiden, klare und direkte Kommunikation, unpopuläre Maßnahmen verabschieden, … Statt in dieser Situation mit festen und unverrückbaren Regeln zu agieren, ist es hilfreicher Perspektiven, sowie neue Visionen und Ziele zu schaffen. Führungskräfte sollten Werte als Richtlinien nutzen, um klar zu kommunizieren, wohin das Unternehmen steuert. Kreativität und Experimente sollten zugelassen werden, damit Innovationen aus der Krise entstehen können. Dies schafft eine Kultur des sich weiterentwickelns aus der Krise. Eine Lernkultur entsteht, die auch in der Zunkunft das Unternehmen für Veränderungen und Krisen resilienter werden lässt.