Vertrauenskultur als Instrument der Mitarbeiterführung

In den meisten Führungsleitlinien von Unternehmen kommt mindestens einmal die Wörter „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ oder „unser miteinander ist durch Vertrauen geprägt“ vor.

Doch in der Realität erleben Mitarbeiter und Führungskräfte oft etwas ganz anders. Anspruch und Wirklichkeit weichen voneinander ab. Dies führt oft zu Enttäuschungen, Misstrauen, Konflikten oder das Unternehmen verliert wichtige Mitarbeiter, die erst innerlich kündigen und dann auch tatsächlich gehen mit all ihrem Engagement, Know-how und ggf. auch mit ihrem Netzwerk.

Muss man denn wirklich ausdrücklich in einem Unternehmensleitbild darauf hinweisen, dass man vertrauensvoll miteinander umgeht? Wollen wir das nicht irgendwie alle? Wir verbringen die meiste Zeit der Woche in unserem Job und mit unseren Kollegen – was liegt da näher als dass wir vertrauensvoll zusammenarbeiten. Fehlt das Vertrauen ineinander und kann es auch nicht wieder aufgebaut werden, dann entsteht Unzufriedenheit, Misstrauen, Kontrolle nimmt immer mehr zu, die Führungskraft malt sich vielleicht schon aus, was der neue Mitarbeiter alles mitbringen muss, damit das nicht noch mal passiert… Wahrscheinlich ist die Führungskraft selbst frustriert, weil es schon wieder nicht funktioniert: "Gute Mitarbeiter zu finden ist in der heutigen Zeit eben nicht mehr so leicht."

In diesem Artikel möchte ich mich damit beschäftigen, was eine Vertrauenskultur ausmacht, was bei der Kommunikation wichtig ist und wie man eine Vertrauenskultur erreichen kann.

Viel Spaß beim Lesen. Ich freue mich, wenn Sie im Anschluss Ihre Erfahrungen und Meinungen durch ein Kommentar in die Blogserie mit einbringen.

Vertrauen und Kultur in einem Wort, das hört sich zunächst sehr positiv an und hinterlässt in uns ein gutes Gefühl: Vertrauen ist etwas, ohne dass wir im Alltag gar nicht miteinander leben könnten. Alleine wenn wir in den Bus einsteigen, vertrauen wir darauf, dass der Busfahrer fahrtüchtig ist, den Überblick über den Verkehr hat, aufmerksam ist,… und uns sicher zu unserem Ziel fährt. Auch im Beruf vertrauen wir in vielerlei Hinsicht:

Unseren Kollegen:

      • dass Sie uns alle wichtigen Informationen zur Verfügung stellen
      • dass sie uns unterstützen, wenn wir sie um Hilfe bitten
      • dass sie am gleichen Ziel arbeiten
      • dass sie für uns da sind, wenn wir sie brauchen
      • dass sie fair sind
      • dass sie schweigen, wenn wir ihn etwas anvertrauen

Unserem Vorgesetzten:

      • dass er unsere Leistungen sieht
      • dass er richtige Entscheidungen triff
      • dass er gerecht zu allen ist
      • dass er aufrichtig zu uns ist und sagt, was er denkt und was er weiß
      • dass er Trends erkennt und richtig darauf reagiert
      • dass er uns fördert

Unseren Kunden:

      • dass sie am Ende dafür bezahlen, was sie bei uns in Auftrag gegeben haben
      • dass sie uns bei Reklamationen die Wahrheit sagen
      • dass sie unsere Produkte oder Dienstleitungen wieder einkaufen
      • dass sie uns sagen, was sie brauchen
      • dass sie Verständnis für uns aufbringen, wenn mal was schief gegangen ist

Unseren Lieferanten:

      • dass sie faire Preise machen
      • dass sie die bestmögliche Qualität liefern
      • dass sie gemeinsam mit uns am Erfolg arbeiten
      • dass sie pünktlich liefern

Würden wir das immer und bei jedem hinterfragen, wäre ein effizientes Arbeiten nicht mehr möglich und auch unsere Zufriedenheit, die Qualität unserer Arbeit und unsere Lebensqualität würden sinken. Und doch, haben Sie vielleicht gerade bei einem dieser Beispiele gerade gedacht, na da wäre ich mir nicht ganz sicher, ob ich ihm oder ihr vertrauen kann? Woran liegt es, dass wir Menschen vertrauen und anderen nicht?

Zum einen hat das mit unseren eigenen Erfahrungen mit dieser Person zu tun. Wie hat sie sich verhalten? Hat sie das was sie gesagt hat auch getan oder waren das reine Lippenbekenntnisse oder wurden Sie vielleicht sogar betrogen und belogen von dieser Person?

Dann entsteht nicht nur Misstrauen in diesem Bereich gegenüber dieser Person, sondern auch gegenüber allen anderen Bereichen, in denen ich mit dieser Person in Kontakt stehe. Gleichzeitig generalisiere ich auch noch das Verhalten dieser Person auf andere: ich werde also in Zukunft bei einem ähnlichen/gleichen Kontext mit einer völlig anderen Person vorsichtiger werden. Und zu guter Letzt, werden auch Freunde, Bekannte und Kollegen, denen ich von dem Vorfall glaubhaft erzähle oder diese es selbst mitbekommen haben, Vorsicht walten lassen. Vertrauen aufbauen und halten sind also wichtige Führungsinstrumente in einem Team, damit es im Alltag einen reibungslosen Ablauf und ein gutes Betriebsklima gibt.

Was ist Vertrauenskultur?

Wenn wir von Vertrauenskultur sprechen, dann ist dies immer auch ein spezifischer Teil der Unternehmenskultur. Damit wird die Vertrauenskultur durch die Werte der Unternehmenskultur mit beeinflusst (RessourcenKultur Paper, Seite 37, 2011).
Wenn wir uns dem Thema Vertrauenskultur widmen, dann meint das auch, wie gehen die Mitarbeiter und Unternehmensführung mit Vertrauen um, was verstehen sie darunter, welche Werte und Normen bestimmen das Handeln der Organisationsmitglieder, wie kommunizieren sie Vertrauen und wie gehen sie mit Regelverstößen um.

Da auch dieses Thema wieder in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen unterschiedlich definiert wird, stelle ich an dieser Stelle zunächst den kleinsten Gemeinsamen Nenner vor:

„Vertrauen als Wille sich verletzlich zu zeigen“ (RessourcenKultur Paper3, 2011).

Hier wird deutlich, dass Vertrauen auch immer ein Risiko in sich birgt, dass der Vertrauensvorschuss, den wir in eine Person/Unternehmen/Sache stecken auch enttäuscht werden kann. Ich schenke Vertrauen, in die Handlung einer Person, die in der Zukunft liegt. Damit weiß ich eben zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht wie sie sich verhalten wird. Und da hilft mir auch kein noch so ausgefeiltes Analysesystem dabei dieses Verhalten mit 100%iger Sicherheit vorherzusagen.

Das zeigt die Wechselseitigkeit der Vertrauenskultur: Vorgesetzte und Mitarbeiter müssen hierzu gegenseitig sich vertrauen können, so kann eine positive Spirale des Vertrauens mit wachsendem Vertrauen entstehen, im umgekehrten Fall eine Spirale des Misstrauens entstehen. Am Ende fragen sich beide, was war zuerst da: Das Vertrauen, das in mich gesetzt wurde oder das Vertrauen, dass ich in den anderen gesetzt habe? Es ist nicht so wichtig, wer angefangen hat, wichtiger ist, dass einer von beiden angefangen hat, Vertrauen in den anderen zu investieren und der andere dies positiv wahrgenommen hat und ebenfalls vertrauensvoll reagiert hat

Vertrauen aufbauen ist ein Prozess, der langfristig ist und über die Zeit mehrere positive Erfahrungen mit den Akteuren bedarf. So entstehen nicht nur vertrauensvolle Beziehungen in einem Unternehmen, sondern auch Werte, Regeln und Normen, die für Vertrauen stehen.

Dies bedarf Zeit und viel Offenheit bei allen, damit das Team darüber sprechen kann, wie sie einzelne Situationen wahrgenommen haben und welche Rückschlüsse sie daraus gezogen haben und sich so besser einschätzten lernen können. Daraus resultiert, dass es wichtig ist, dass eine Führungskraft sich immer wieder bewusst macht und sicherstellt, dass so wie sie wirken will auch wirklich wirkt bei ihren Mitarbeitern, damit vertrauen entstehen kann, denn ihre Vorbildfunktion ist entscheidend für das bilden einer Vertrauenskultur.

Wie entsteht Vertrauen?

Das Risiko muss für den Vertrauensgebenden kalkulierbar sein. Man muss also das Gefühl haben, dass der andere mit hoher Wahrscheinlichkeit das erwartete Verhalten an den Tag legt und falls nicht, dass man selbst den daraus resultierenden Verlust aushalten kann.

Je mehr ich eine Person kenne, umso eher bin ich bereit ihr Vertrauen zu schenken oder zu entziehen. Dies hängt von den erlebten Erfahrungen mit dieser Person zusammen. Wenn ich wiederholt einem Mitarbeiter eine Aufgabe übertragen habe, die er voll erfüllt hat, dann werde ich mit der Zeit ihm immer mehr vertrauen, dass er diese Aufgabe auch in Zukunft voll erfüllen wird. Ich gehe immer mehr davon aus, dass er die Fähigkeit hat, die Aufgabe zu erfüllen, das geht soweit, dass das für mich zur Wahrheit und nicht zum Vertrauensvorsprung wird. Dann sind meine Kontrollen immer geringer, weil ich ja weiß, dass er es schafft. Doch ob der Mitarbeiter tatsächlich die Aufgabe bewältigt, wird sich jedes Mal erst im Nachhinein herausstellen. Wir können nicht Flüchtigkeitsfehler, Vergessen oder sonstige Gründe für das Nichterfüllen vorhersagen. Sie sehen schon, es kann immer was passieren, aber vielleicht haben Sie sich gerade beim Lesen erwischt, wie Sie sich die Frage gestellt haben: „Aber ich kann ja nicht alles und jeden Mitarbeiter permanent kontrollieren, nur weil es vielleicht doch einmal vorkommen kann, dass er doch die Aufgabe nicht erfüllt.“ Sie haben Recht, genauso ist es: Wir brauchen ein gewisses Maß an Grundvertrauen, sonst würde unsere sowieso schon sehr komplexe Welt noch komplexer werden und Sie könnten gleich die Aufgaben Ihrer Mitarbeiter mit übernehmen oder ständig Ihre Mitarbeiter kontrollieren. Und es gibt genügend Führungskräfte, die genau dies tun, um vermeidlich mehr Sicherheit zu haben. Also bedarf es auch, um zu vertrauen, dass man einen gewissen Grad an Risikobereitschaft hat. Gerade neue Führungskräfte stolpern über diesen Fallstrick. Das zeigt, dass man bei Vertrauen, darauf baut, dass es gut geht, was den Vorteil der Vereinfachung bringt, gleichzeitig aber ein Risiko in sich birgt, dass das erwartete Verhalten nicht eintritt. Hier zeigt sich auch, wie eng Vertrauenskultur mit Fehlerkultur zusammenhängen. Denn um weiterhin Vertrauen in einen Mitarbeiter haben zu können, der einen Fehler macht, braucht die Führungskraft und der Mitarbeiter einen positiven Bezug zu Fehlern. Am besten werden sie als Lernmöglichkeit gesehen, um in Zukunft die Qualität der Arbeit zu verbessern. Deshalb empfehle ich immer nach einem Fehler, dass die Führungskraft sich mit dem Mitarbeiter bewusst je nachdem wie groß der Fehler war, zusammensetzten und ihre Lessons to learn reflektieren. Meist haben beide etwas aus der Situation zu lernen.

Das zeigt auch, dass Vertrauen per se nicht immer nur gut ist und Misstrauen per se nicht immer nur schlecht ist. Eine Führungskraft, die ausschließlich ihren Mitarbeitern vertraut und sich keine Informationen einholt über den Stand der Aufgaben in ihrem Verantwortungsbereich und generell nicht kontrolliert, wird genauso mit ihrer Führungsaufgabe Schwierigkeiten bekommen wie eine Führungskraft, die ständig und unerlässlich über alles informiert sein will und alles kontrolliert. Die Kunst liegt darin das richtige Maß für die einzelnen Mitarbeiter zu finden.

Selbstverständlich ist eine wertschätzende und offene Kommunikation für eine funktionierende Vertrauenskultur wichtig, darauf gehe ich in Teil zwei des Blogbeitrags näher ein.

Betrachtet man, die Indikatoren für Vertrauen, dann wird auch schnell klar, dass Vertrauen auch etwas sehr Individuelles ist, da es etwas Gefühltes meint und weniger etwas, was rational erklärbar ist. So habe ich einmal im Coaching mit einer Führungskraft über eine Entscheidung zu einer Einstellung gesprochen. Die Führungskraft meinte zu mir, dass es rational keinen Grund gibt, den Bewerber nicht einzustellen: Qualifikation und Referenzen sind genau auf das Profil passend, auch die Antworten aus dem Bewerbungsgespräch sind genau richtig gewesen und lassen rational nur den Rückschluss zu, dass dieser Bewerber zu dem Unternehmen passt. Deshalb haben Geschäftsführung und Personalabteilung ihm nahe gelegt diesen Bewerber einzustellen. Und dennoch hatte mein Coachee ein ungutes Gefühl: „Irgendwie ist mir das alles zu glatt, mein Bauch sagt mir, dem kannst Du nicht trauen“. Hier gilt es sich als Führungskraft zu fragen, was genau dieses Gefühl auslöst und welche Vorerfahrungen die Führungskraft bereits hatte, um für den Bewerber und sich selbst gegenüber eine faire Entscheidung zu treffen. Eine Entscheidung, die jede Führungskraft selbst treffen muss! Hier gibt es kein Richtig und kein Falsch. Sondern nur ein damit kann ich umgehen.

Fazit: Vertrauen kann man nur aufbauen, wenn man gemeinsame positive Begegnungen schafft und sich gegenseitig besser einschätzen kann. Es ist relativ und wechselseitig. Beide Seiten müssen etwas dazu beitragen, dass Vertrauen entstehen kann. Beide Seiten müssen auf das Beziehungskonto durch ihr Verhalten einzahlen, damit ein Guthaben entsteht. Die Investition auf das Beziehungskonto lohnt sich, denn am Ende steht eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Letzte Änderung am Sonntag, 15 November 2020 15:37
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