Führungsvorbilder
Heute schreibe ich einen Blogbeitrag im Rahmen einer Blogparade des Steinbeis-Transfer-Instituts . Die Überschrift der Bolgparade hat mich für das Thema neugierig gemacht: Kapitän oder Teamplayer – Wer ist Ihr Führungsvorbild?
Wer war mein Führungsvorbild?
Ich erinnere mich an meine erste Führungskraft. Er kam einer guten Führungskraft, wie ich sie mir vorstelle, sehr nahe. Er war von seinen Mitarbeiter akzeptiert, er hat mich gefordert und weiterentwickelt. Und wir konnten über viele Führungsthemen in unseren Gesprächen reden. Dabei ist mir ein Satz ganz besonders hängen geblieben: „Bei mir haben alle Mitarbeiter das volle und uneingeschränkte Vertrauen. Sie müssen mir erst beweisen, dass ich ihnen nicht vertrauen kann.“ Dieser Satz hat mich sehr geprägt. Aber war er nun wirklich ein Vorbild für mich?
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um ein Vorbild zu werden?
Die Voraussetzungen, ob eine Person ein Vorbild ist oder nicht, haben viel mehr mit der Person, die ein Vorbild hat zu tun hat als mit der Person, die ein Vorbild ist. Denn es geht bei einem Vorbild, um eine Identifizierung mit dem Vorbild. Dazu braucht es Gemeinsamkeiten wie ein gleiches soziales Umfeld, man ist in einer ähnlichen/gleichen Situation wie das Vorbild, hat gemeinsame Werte oder teilt kulturelle Gemeinsamkeiten. Gerade der kulturelle Unterschied entscheidet über vorbildliches Verhalten oder auch nicht: So versteht man in Asien oder Afrika etwas ganz anders unter vorbildlich als in Europa oder Amerika. Und das gilt auch für Führungskräfte. Auch ihr Verhalten wird immer im kulturellen Kontext des Unternehmens von den Mitarbeitern bewertet.
Dies beinhaltet, dass der Mitarbeiter bereit sein muss, die Führungskraft als Vorbild zu wählen. Es reicht nicht, wenn die Führungskraft sich nach der Unternehmenskultur und dem Unternehmensleitbild tugendhaft benimmt. Der Mitarbeiter selbst gleicht das Verhalten mit den eigenen Werten, Erfahrungen und Anschauungen ab. Er vergleicht, ob seine Situation ähnlich der Führungskraft ist. Und je nachdem welche Werte der Mitarbeiter vertritt und in welcher Lebensphase der Mitarbeiter ist, wird es sich entscheiden, ob die Führungskraft Vorbild ist oder nicht.
Hinzu kommt, dass eine Führungskraft, die Vorbild sein möchte auch eine gute Selbststeuerung haben muss. Sie sollte überwiegend ihr eigenes Verhalten an den eigenen Werten und Zielen anpassen. Und das auch in stressigen Situationen, in denen es eher schwer fällt sich immer korrekt zu verhalten. Der Anspruch ein Vorbild zu sein, setzt also ein sehr gutes Selbstmanagement der Führungskraft voraus.
Dies wird in Zeiten mit mehr Komplexität, hoher Wechselintensität der Märkte und Werte und damit auch in einer Welt mit hoher Ambivalenz zunehmend schwerer, weil damit auch die Belastungen steigen. Dies erschwert es, sich immer korrekt und richtig zu Verhalten. Hinzu kommt, dass das Verhalten von gestern, morgen schon nicht mehr vorbildlich sein kann. Diese Veränderungen muss die Führungskraft schnell erkennen, um weiter Vorbild zu bleiben, sonst löst sich die Vorbildfunktion schnell wieder auf.
Um ein Vorbild zu sein, muss uns das Vorbild nicht nahe stehen (so sind zum Beispiel Personen des öffentlichen Lebens oder mit einer bestimmten Funktion oft Vorbilder wie zum Beispiel Gandhi oder der Papst), ohne dass wir sie persönlich kennen. Die Person muss nicht mal real existieren (oft sind auch Filmfiguren Vorbilder wie Superman oder Pipi Langstrumpf). Es reicht, wenn wir uns mit der Figur Identifizieren und ihr Verhalten uns selbst gerne mehr bei uns wünschen würden.
Die Frage, ob eine Führungskraft sich vorbildlich verhalten kann, kann man so zusammenfassen, dass sie zwar sich nach den Unternehmensleitlinien ausgerichtet Verhalten kann, selbst muss sie dadurch nicht zum Vorbild werden. Sie kann für den einen Mitarbeiter Vorbild sein, für den anderen Mitarbeiter jedoch nicht. Die Selbstkontrolle, ob man sich vorbildlich verhält, ist also ein Teil der Voraussetzungen. Sie reicht aber nicht aus, da es immer vom Mitarbeiter einen Abgleich mit den eigenen Anschauungen gibt. Vorbilder bestätigen und verstärken mehr die eigenen Werte als dass sie emergenten Veränderungen beim Gegenüber hervorrufen.
Wieso reden dann alle von der Vorbildfunktion von Führungskräften und deren Bedeutung?
Eine Studie von Michelle von Dellen (Universität of Georgia) hat gezeigt: Wer vorher Menschen, die besonders selbstbeherrscht sind sich vor Augen hält, der wird, wenn er selbst in eine Situation in der Selbstbeherrschung gefragt ist kommt, sich selbstbeherrschter verhalten. Welchen Zusammenhang gibt es? Zum einen glaubt das Team um van Dellen, dass die Probanden die innere Haltung des Vorbilds für sich übernommen haben. Sie haben das Vorbild nachgeahmt. Gleichzeitig entstehen bei den Probanden innere Vergleichsprozesse, die dazu führen, sich selbst besser beherrschen zu können. Die Probanden vergleichen sich mit dem Vorbild und wenn sie merken, sie wollen nachgeben, dann könnten Fragen aufkomme: „Was würde… machen? … würde noch durchhalten. … Hat das auch geschafft, dann werde ich das auch schaffen.“
Es ist sehr hilfreich, die innere Haltung einer Person, die bereits schon das eigene Ziel erreicht hat einzunehmen. Immerhin hat diese Haltung/Strategie bereits funktioniert und kann auch bei anderen funktionieren. Gleichzeitig vergleichen wir, wie würde sich jemand Verhalten, dessen Verhalten wir uns wünschen? Wenn unser Verhalten davon noch zu weit abweicht, dann spornt uns das eher an, weiter zu machen und uns ebenfalls wie unser Vorbild zu verhalten.
Der transfomale Führungsstil wurde durch mehrere Studien als wirkungsvoll bestätigt (Vgl.: „Sozialwissenschaftliche Grundlagen des beruflichen Handelns, S. 255 von Isabell Halla und Stefanie Sarenba, Springer Verlag). Auch hier legt man viel Wert auf eine Führungskraft, die Vorbild für die Mitarbeiter ist. Das Team nimmt ähnliche Verhaltensweisen der Führungskraft an. Dies zeigt jedoch meiner Meinung nur, dass Mitarbeiter ihr Verhalten der Führungskraft anpassen. Ob dies immer das gewünschte Verhalten ist, das sich die Mitarbeiter abschauen mag ich an dieser Stelle bezweifeln. Umso wichtiger ist es, dass die Führungskraft immer wieder ihre Wirkung und Wirkweise auf Mitarbeiter hinterfragt, ob das eigene Verhalten noch förderlich ist – auch in dem Sinne, ob man möchte, dass sich seine Mitarbeiter genauso verhalten.
Eine wichtige Funktion hat das Vorbild: Das Vorbild ist ein glaubhaftes Modell dafür, dass es schon mal jemand geschafft hat sich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten oder etwas gemeistert hat. Damit bekommen andere Mut und unsere eigenen Anforderungen an uns selbst werden greifbarer. Es reicht die Verhaltensmuster und Strategien des Vorbilds sich abzuschauen, um dem eigenen Zielen näher zu kommen. Dieser Mut lässt uns Neues ausprobieren und unterstützt uns aus der eigenen Komfortzone herauszukommen und Neues zu erlernen.
Gleichzeitig entsteht dieser Mut auch dadurch, dass das Vorbild eine Orientierung bietet, wie etwas, das man selbst noch nicht gemacht hat, funktionieren kann. Hier liegt ein konkreter Nutzen, gerade in Changeprozessen, wenn die Führungskraft Vorbild ist. Sie gibt den Mitarbeitern Beispiele durch das eigene Verhalten, wie es funktionieren kann. Welche Haltung und welches Verhalten erforderlich sind. Ein Beispiel: Eine Führungskraft, die sich besonders kundenorientiert verhält und die eigenen Entscheidungen im Interesse des Kunden trifft, gibt durch ihr eigenes Verhalten Beispiele, was sie selbst unter Kundenorientierung versteht. So werden allgemeine Begriffe, die jeder anders verstehen kann- wie zum Beispiel: teamorientiertes Arbeiten, selbstorganisierte Teams, Wertschätzung,… durch konkrete Situationen greifbarer und verständlicher. Die Mitarbeiter erfahren so auch, welche innere Haltung die Führungskraft selbst zu diesen Themen hat und welche Schwerpunkte sie für sich selbst setzt. Dies nehmen sich die Mitarbeiter an.
Das heißt, wer Vorbilder hat, der schaut bei diesen Menschen ganz bewusst auf die Potentiale der Person, die er als Vorbild gewählt hat. Insofern ist es auch für eine Führungskraft gut, bei jedem Mitarbeiter zu schauen, worin ist er für die Führungskraft ein Vorbild. Denn so kann sie die Potentiale der Mitarbeiter wahrnehmen, fördern und fordern.
Muss eine Führungskraft ein Held des Alltags sein?
Dieser Anspruch wäre für jeden Menschen zu hoch gegriffen. Auch Führungskräfte sind Menschen. Und Menschen scheitern immer wieder an den eigenen Ansprüchen und auch der Ansprüche der anderen. Also auch ein Vorbild darf scheitern. Viel wichtiger ist es, wie das Vorbild mit dem Scheitern umgeht. In meinen Seminaren und Coachings mache ich gerne eine Übung: Welche Führungskraft ist ihnen besonders positiv in Erinnerung? Sehr häufig nennen die Teilnehmer und Coachingnehmer auch Führungskräfte, die selbst Fehler machen. Für sie ist nicht der Fehler an sich das vorbildliche Verhalten, sondern viel mehr, wie die Führungskraft mit diesem Fehler umgegangen ist. Besonders beeindruckend schildern die Teilnehmer wie das Vorbild aus den Fehlern gelernt hat und welche Strategien er/sie gewählt hat. Die Kunst aus dem Scheitern wieder aufzustehen und weiter zu machen – egal wie tief man fällt, das beeindruckt viele sehr.
Fazit:
Wenn ich nun auf die Frage zurückkomme, ob mein erster Vorgesetzter ein Vorbild für mich war, dann habe ich immer noch keine eindeutige Antwort. Auf der einen Seite war er ein Vorbild, da er mir durch sein Verhalten eine gute Orientierung gegeben hat und ich mir viele Strategien und innere Haltungen von ihm abgeschaut habe. Auf der anderen Seite habe ich mich auch mit vielem nicht identifiziert und habe auch einiges anders gemacht wie er. Und das ist auch gut so, denn bei allem Vorbild, sollte doch jeder selbst entscheiden, in welchen Situationen und Verhaltensmustern Menschen für uns ein Vorbild sind. So kann sich jeder das aussuchen, was gerade zu ihm in seiner Lebenssituation und mit seinen eigenen Wünschen und Zielen hilfreich ist.
Auf die Frage, ob Führungskräfte Vorbilder sein sollten, kann ich nur antworten, dass sie es sich nicht aussuchen können, da der Mitarbeiter selbst entscheidet und sein Vorbild wählt. Die Führungskraft kann durch eine gute Selbststeuerung dazu beitragen, dass die Wahrscheinlichkeit sich erhöht ein Vorbild zu sein. Mehr kann sie allerdings dazu auch nicht beitragen, denn sonst müsste sie allen Anforderungen und Werten der Mitarbeiter gerecht werden, was mehr zu einem konformen Verhalten beitragen würde. Dies würde jedoch keinem Nützen.
Wenn Führungskräfte Vorbilder sein wollen, dann im Sinne von Orientierung und Halt geben. Sowie Beispiele liefern, wie Verhaltensmuster aus ihrer Sicht optimal sind. Die Entscheidung, ob sie mit ihrem Verhalten ein Vorbild sind, bleibt jedoch eine Entscheidung der Mitarbeiter.