Wie gehe ich bei Konflikten mit meinem Team vor?

Im Change –Prozess sind Konflikte keine Seltenheit. Auch die Führungskräfte bekommen das zu spüren. Es läuft vieles nicht mehr so, wie es sein sollte und es wird dann all zu schnell nach einem Schuldigen gesucht. Da Führungskräfte genau die Aufgabe haben, Prozesse zu strukturieren und zu steuern, so dass Mitarbeiter möglichst störungsfrei ihre Aufgaben erledigen können, entsteht oft Unzufriedenheit mit der Führungskraft. Hinzu kommt, dass die Führungskraft für Orientierung sorgen soll. Auch das ist im Change – Management-Prozess nicht immer so eindeutig möglich, wie das Mitarbeiter von ihren Führungskräften (zurecht) erwarten. Doch gerade in Zeiten des Wandels ist Klarheit nicht immer möglich, weil die Führungskräfte selbst noch nicht wissen, was genau kommen wird und wie es sein wird. Die steigende Komplexität macht es noch schwerer, da Komplexität gerade beinhaltet, dass nicht klar ist, was wird am Ende entstehen. All dies führt für Führungskräfte zu einem Dilemma, denn auf der einen Seite wird von Ihnen Klarheit und Sicherheit erwartet, auf der anderen Seite leben sie selbst in einer Umgebung, die geprägt ist von hoher Wechselintensität, Unsicherheit, Komplexität und Ambivalenzen.

Zuletzt verändert der Change-Prozess nicht nur die Organisation, die Prozesse und Strukturen, die Verteilung von Ressourcen, sondern auch die Menschen selbst - also Führungskraft und Mitarbeiter und damit auch die Beziehungen zueinander. Das bedeutet, dass es auch mal ruppiger zu geht, neue Regeln und Normen in Bezug auf den Umgang miteinander ausgehandelt werden müssen und Machtverhältnisse sich verändern. Eine neue Kultur ist im Entstehen. Auch in der Natur gibt es viele Beispiele, in dem erst das Alte mit brachialer Gewalt zerstört wird, bevor Neues und Fruchtbares hervorgeht. So zum Beispiel ein Vulkanausbruch, der sehr zerstörerisch ist und eine karge Landschaft hinterlässt. Aber schon bald bietet der Boden für Pflanzen nährstoffreichen Grund und ertragreiche Ernten können darauf entstehen, sofern die Menschen den Boden bestellen und die jungen Pflanzen pflegen. Deshalb lassen sich viele Menschen, trotz der Gefahr eines neuen Vulkanausbruchs am Rande von Vulkanen nieder. Auch in Veränderungsprozessen gibt es zerstörerische Kräfte und Konflikte. Doch wenn beide Seiten, die Führungskraft und das Team, es schaffen, diese Konflikte zu nutzen, dann kann bald ein nährstoffreicher Boden für das Team entstehen. Das Team hat nun eine fruchtbare Grundlage geschaffen und kann durch Kommunikation und Reflektion seine Ernte säen, so dass am Ende das Team erfolgreicher, effizienter und effektiver arbeiten kann als zuvor.

Führungskräfte sollten deshalb keine Angst vor Konflikten im Change-Prozess haben. Keiner fühlt sich wirklich wohl, sie sind mitunter belastend und machen aggressiv und wütend. Die Emotionen kochen hoch, gerade wenn der Change – Prozess auch schlechte Nachrichten mit sich bringt. Doch gerade Konflikte sind auch ein Zeichen, dass sich etwas bewegt. Die Beteiligten beginnen sich mit dem Change-Prozess auseinander zu setzten, sie schauen, welche Gefahren drohen und was sie aufgeben müssen. Verluste und die Ungewissheit, was kommt auf mich konkret zu, führen zu Wut, Angst und Widerstand. Der oft steinige und steile Weg hin zum Ziel ist wichtig, denn wenn die Konflikte nicht ausgetragen werden, dann fehlt am Ende:

  • Das Einverständnis der Mitarbeiter: Wenn es keine Konflikte gäbe, dann würde das mit hoher Wahrscheinlichkeit bedeuten, dass die Mitarbeiter ihre Befürchtungen und ihre Widerstände nicht äußern. Damit kann die Führungskraft auch nicht erkennen und reagieren, was die Mitarbeiter brauchen und wo sie überzeugen, erklären oder klarer kommunizieren muss oder Unterstützung dem Mitarbeiter anbieten sollte. Damit kann sie nicht um das Einverständnis der Mitarbeiter werben. Durch zu viel Harmonie im Team kann der Eindruck bei der Führungskraft entstehen bereits das Einverständnis der Mitarbeiter gewonnen zu haben, ohne dass das dem tatsächlichen Denken der Mitarbeiter entspricht.
  • Das Erkennen von Gefahren und Risiken: Wenn Mitarbeiter nicht auch für ihre Meinung einstehen und/oder diese nicht gehört werden, dann können Gefahren und Risiken übersehen werden. Je mehr Mitarbeiter und je intensiver Mitarbeiter auf Probleme aufmerksam machen, sollten Führungskräfte genau hinhören und diese Einwände genau prüfen. Oft haben die Mitarbeiter ein besseres Gespür dafür als Führungskräfte und ihre Berater. Selbst wenn Zahlen, Daten und Fakten dagegen sprechen, ist es wichtig, hierauf einzugehen. Denn wenn die Mitarbeiter weiterhin die Gefahren empfinden – selbst wenn sie nicht real sind – so wird das System eine Lösung finden, die sie von den (vermeidlichen) Gefahren bewahren wird. Und das können Lösungen sein, die nicht im Sinne der Ziele und Erwartungen des Unternehmens sind. Ein Unternehmen, das ich in einem Change – Prozess begleitet habe, hat sich vor Warnungen der Mitarbeiter und vereinzelter Führungskräfte verschlossen, dass das neue Produktivitätssystem nicht die gewünschte höhere Produktivität und damit erhoffte Einsparungen einbringen wird. Vielmehr hat es die „Widerstände“ damit abgetan, dass diese Mitarbeiter zu lange schon dabei sind, sich nicht auf Neues einstellen können und Querulanten sind, die besser gehen als den Prozess zu stören. In einem Workshop sprachen beide Seiten aus, was sie voneinander dachten. Es entstand ein Moment der Stille. Jeder hing seinen Gedanken nach. Das erste Mal seit langem hatten beide Parteien das Gefühl, dass die „andere Seite“ wirklich hingehört hat und verstanden hat, worum es ging. Nach einer Weile fragte eine Führungskraft: „Was können wir jetzt daraus lernen?“ Und eine rege und offene Diskussion fand statt. Das Projekt wurde nicht gleich auf alle Standorte übertragen, sondern man suchte sich verschiedene Standorte aus mit vergleichbaren Umfeld und prüfte zuerst das System. Zum Glück, denn die „Widerständler“ hatten recht. Das System wurde nachgebessert und wurde durch den offenen Austausch doch noch zum Erfolg.
  • Der Dialog, der neue und vorher nicht gedachte Wege ermöglicht: Gerade der Dialog und Austausch mit kontroversen Themen, unterschiedlichen Meinungen und Interessen birgt die Möglichkeit von neuen Wegen. Wer sich wirklich auf diese Konfrontation einlässt, der hat die Chance daraus neue Ideen und Wege zu finden, indem man diese zusammenbringt und nach möglichen win-win Lösungen sucht. Dabei muss nicht die erste Lösung die beste Lösung sein, es lohnt sich etwas mehr nachzudenken und auch nicht direkt Betroffene mit einzubeziehen, wie zum Beispiel Schnittstellen oder Kunden.

Es braucht also eine Kultur der Offenheit für andere Meinungen, Kreativität und neue Denkweisen, um Konflikte im Change – Prozess als Chance zu nutzen.

Was können Führungskräfte tun, wenn Sie mit Mitarbeitern im Konflikt stehen?

Wie ein Konflikt sich entwickelt hat immer auch mit beiden Parteien zu tun. Da man nur sein eigenes Denken und Verhalten beeinflussen kann, ist es wichtig, dass beide Parteien sich reflektieren und sich fragen, um was geht es mir wirklich, welche Bedürfnisse stehen hinter der reinen inhaltlichen Meinung.

Deshalb ist sobald der Konflikt mit einem Mitarbeiter oder dem Team offensichtlich wird das oberste Gebot Ruhe zu bewahren und nachzudenken, was könnten die nächsten Schritte sein. Das gelingt den meisten noch ganz gut, wenn es sich um einen Konflikt mit einem einzelnen Mitarbeiter handelt, das kennen viele Führungskräfte aus ihrem Alltag. Doch wenn das ganze oder ein großer Teil des Teams mit der Führungskraft einen Konflikt hat, dann schlagen die Wellen auch bei einer erfahrenen Führungskraft mal höher. Gerade wenn mehrere aus dem Team gegen die Führungskraft sind, dann droht aus Sicht der Führungskraft oft, dass die eigene Autorität ins Wanken gerät. Wenn die Klärung des Konflikts nicht alleine gelingt, dann ist es ratsam sich Unterstützung zu suchen, entweder bei dem eigenen Vorgesetzten, bei Kollegen oder einem professionellen Coach. Allein die Reflektion auf die Situation und der Perspektivwechsel durch eine Dritte Person eröffnet neue Denkweisen und zeigt neue Lösungswege auf. Dies kann auch die eigene innere Haltung verändern: So kann man im Gespräch mit einem unterstützenden Gesprächspartner seinen Fokus auf die Chancen richten, die im Konflikt stecken und sich auf die eigenen Stärken wieder besinnen. Dies ermöglicht oft erst, dass die Führungskraft den Konflikt offen begegnen kann, eigene Schwächen und den eigenen Anteil am Konflikt ansprechen kann und aus dem Gespräch mit dem Team Lösungen erarbeiten kann.

Im Austausch mit dem Team ist es wichtig, dass die Führungskraft nicht beginnt sich zu rechtfertigen. Dazu neigen viele Führungskräfte, weil sie glauben sich für vergangene Entscheidungen gegenüber ihrem Team erklären zu müssen, um ihre Legitimation als Führungskraft zu rechtfertigen. Viel wichtiger ist, dass sie die Steuerung der Gruppe beibehält. Dies gelingt in der Regel sehr gut, wenn die Führungskraft Fragen stellt, wie es dem Team geht, was gerade die größten Probleme sind und was sie bereits unternommen haben. Oder auch die Frage, was die Führungskraft hätte anders machen können und in welchen Situationen sich die Mitarbeiter sich etwas anders gewünscht hätten. Wenn die Führungskraft die Fragen mit einem echten und aufrichtigen Interesse stellt, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sie auch ehrliche Antworten von den Mitarbeitern bekommt. Dabei sollte sie darauf achten, nicht nur rein sachliche Themen anzusprechen, sondern auch nach den Gefühlen der Mitarbeiter zu fragen („Wie haben Sie sich dabei Gefühlt?“ „Was war Ihr erster Impuls?“ …). Gerade wenn das Verhältnis zu den Mitarbeitern nicht gut ist, ist es wichtig, dass man sich hierfür Zeit lässt, denn das Vertrauen der Mitarbeiter zum Vorgesetzten ist aufgrund des Konfliktes gestört und macht eine offene Aussprache für Mitarbeiter und Führungskraft schwieriger.

Ergänzend sollte die Führungskraft auch Einzelgespräche führen, weil nicht jeder Mitarbeiter vor dem gesamten Team seine Meinung frei äußert. Oder es besteht noch ein weiterer Konflikt mit einzelnen Personen, dann sollten diese auch persönlich geklärt werden und nicht vor dem gesamten Team. Die Rolle der Führungskraft ist hier weniger die des Scherlock Holmes, der den Dingen auf der Spur ist und Lösungen findet. Vielmehr gilt es forschend und interessiert zu sein und wie ein Forscher auf der Suche nach Möglichkeiten ist, ein Problem zu lösen dem Mitarbeiter gegenübertreten. Dabei bezieht die Führungskraft ihr gesamtes Team mit ein und nutzt dies unterstützend.

Sobald sie die wahren Ursachen des Konfliktes gefunden haben, können sie leichter Lösungen gemeinsam mit Ihrem Team finden, die an der jeweiligen Interessen und Bedürfnissen orientiert sind. Dabei sollte für keine der beiden Seiten ein fauler Kompromiss herauskommen. Es ist wichtig, dass beide aufrichtig die Entscheidung mittragen können, anderenfalls wird der Konflikt an anderer Stelle wieder von vorne anfangen zu entflammen.

Fazit:

Konstruktiv ausgetragene Konflikte können auf dem Weg zur Transformation helfen, dass sich Team und Führungskraft wieder zusammenfinden und die Qualität des Miteinanders und der Arbeitsleistung steigt.

Die Aufgabe der Führungskraft ist es, dass sie nach diesem Prozess wieder ein Team mit veränderteren Regeln und Normen, einer neuen Kultur und eines veränderten Miteinanders entwickelt. Dabei gilt es Teamdynamiken zu steuern, Dialoge zu fördern und eine Kultur des Zuhörens, Verstehens und Öffnens zu schaffen. Den Dialog und die Konfrontation zuzulassen, bedeutet dass alle Seiten Ihre Meinung äußern können, um damit zu erkennen, was ist noch nicht umgesetzt, an was haben wir bis hier hin noch nicht gedacht, was fehlt uns noch? Was brauchen wir?

Wichtig dabei ist die innere Haltung der Führungskraft: Wie nehme ich die Situation und die anderen Menschen wahr? Wie gehe ich mit meinen eigenen Gefühlen um und wie ist das eigene Konfliktverhalten?

Ein situationsangepasstes Verhalten in Konflikten kann man trainieren, dazu braucht es eine ständige Reflektion über das eigene Verhalten, Feedback vom Team und von außen. Gerade Menschen, die man selbst noch nicht so gut kennt, können ein wichtiges Feedback geben. Denn diese Menschen haben noch nicht den Filter vergangener gemeinsamer Erfahrungen auf und können so wichtige Hinweise geben.

Letzte Änderung am Sonntag, 15 November 2020 15:28
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