Wenn Führungskräfte Verantwortung übernehmen: Teil 3) Voraussetzungen
Als Führungskraft wird man immer wieder mit dem Anspruch konfrontiert Verantwortung zu übernehmen. In der Beitragsserie habe ich Verantwortung definiert, die Erwartungshaltung durch Unternehmen an Praxisbeispielen belegt und aufgezeigt, wie Führungskräfte sich selbst verantwortlich fühlen, welcher Anspruch dahinter steckt und ob und wie das überhaupt möglich ist. In diesem dritten Teil möchte ich die Voraussetzungen genauer beleuchten: Welche innere Haltung braucht es zur Übernahme von Verantwortung durch Führungskräfte? Welche Rolle spielen Selbstvertrauen und Motivation?
Innere Haltung
Welche innere Haltung braucht es, um Verantwortung zu übernehmen?
Die innere Haltung bestimmt, für was ich mich verantwortlich halte.
Zunächst ist der Hinweis wichtig, dass jeder für sich und sein Handeln Verantwortung, also Selbstverantwortung übernimmt.
Das klingt einfach und kaum jemand würde dies bestreiten. In meinem Trainingsalltag erlebe ich aber sehr häufig, dass Führungskräfte auf die Frage nach dem, wofür sie verantwortlich sind, sich selbst vergessen zu nennen. Oft sind es die Mitarbeiter, die Ergebnisse und ihr Team, welches zuerst genannt wird.
Selten erlebe ich, dass eine Führungskraft gleich zu Beginn sagt, dass sie für sich und ihr Handeln Verantwortung Übernimmt - und zwar in erster Linie auch sich selbst gegenüber. Sobald Führungskräfte bewusst Selbstverantwortung übernehmen, ändert sich etwas an ihrer inneren Haltung: Sie entfernen sich von der Schuldfrage („Wer hat Schuld an einer Entscheidung gehabt?") und nähern sich dem, was im Fokus stehen sollte - wie handle ich richtig?
Behutsam handeln – verantwortlich handeln
Dabei erkennt die Führungskraft, dass sie in ihrem Handeln nicht nur auf sich selbst, auf ihre Machtausweitung, ihr Wachstum/ihren persönlichen Vorteil schaut, sondern darüber hinaus auch auf die Lebensqualität ihres Umfeldes achtet – und damit achtsam umgeht.
Und dies beinhaltet eben auch, dass die Führungskraft in ihrem Handeln nicht nur auf sich selbst und ihren Wachstum, ihre Machtausweitung und ihren persönlichen Vorteil schaut, sondern darüber hinaus auch auf die Lebensqualität ihres Umfeldes achtet und achtsam damit umgeht. Anderenfalls entstehen Gewinner- Verlierer oder Verlierer – Verlierer Positionen.
Prinzip Selbstverantwortung
Glaubwürdig handeln und Gleiches von Mitarbeitern erwarten dürfen
Handelt und lebt die Führungskraft selbst nach dem Prinzip der Selbstverantwortung, so darf sie gleiches auch von ihren Mitarbeitern erwarten. Für ihre Mitarbeiter handelt sie glaubwürdig – insbesondere, wenn sie dabei auch offen und tolerant gegenüber Kritik oder anderen Meinungen auftritt: Kontroverse Meinungen zulassen, auch einer Entscheidung des Vorgesetzten widersprechen können, wenn es gute Gründe dafür gibt (zum Beispiel weil eine Entscheidung einem Kundeninteresse entgegensteht).
Widerspruch positiv im Unternehmen nutzen:
Verantwortung für eigenes Handeln fördern
Welchen Vorteil das hat, möchte ich an folgendem Beispiel erläutern.
Bei einem meiner Kunden sollen die Verkaufsmitarbeiter am Ende des Verkaufsgesprächs fragen ob der Kunde mit dem ausgewählten Produkt zufrieden ist. Alle Mitarbeiter sind sich einig, dass der Kunde diese Frage so noch gar nicht beantworten kann, weil er das Produkt ja noch nicht ausprobiert hat.
Besser wäre die Frage, ob der Kunde mit dem Service/der Beratung zufrieden war, denn die hat er ja schon erlebt. Jeder im Unternehmen – auch die Führungskräfte bestätigen mir das in Einzelgesprächen. Jedoch glaubt jeder der nächsthöhere Vorgesetzte würde eine neue Formulierung der Frage als Aufstand oder zumindest als einen Unwillen interpretieren. Keiner wagt es also Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen und offen zu sagen, dass die Frage gegenüber dem Kunden umformuliert werden muss.
Die Folge ist, dass die Mitarbeiter herauszufinden versuchen, wer ein Testkäufer ist. Bei diesem stellen sie dann die Frage, sonst verzichten sie darauf.
Die Vorgesetzten rügen ihre Mitarbeiter auch nicht sonderlich, weil sie ja selbst die Frage für falsch halten - und so fort. Also stellt kaum ein Verkaufsmitarbeiter das System in Frage, es bleibt aufrechterhalten, nur weil keiner sich traut dem Geschäftsleiter die Wahrheit zu sagen.
In dem Beispiel wird neben dem Prinzip Selbstverantwortung noch etwas anderes sehr deutlich. Um Verantwortung zu übernehmen braucht es eine Vertrauenskultur im Unternehmen. Es muss für beide Seiten - Führungskräfte und Mitarbeiter – gleichermaßen eine Atmosphäre des Vertrauens geschaffen werden. Dabei geht jeweils der Vertrauensgebende ein Risiko ein, dass sein Vertrauen enttäuscht wird. Wäre das nicht so, wäre das Ergebnis vorab schon bekannt und das hieße, Vertrauen wäre gar nicht erst notwendig.
Das ist prinzipiell kein Problem. Problematisch wird es erst, wenn die Folgen des Risikos zu groß sind für den Vertrauensgebenden. So würde er sich wahrscheinlich eher dazu entscheiden das Vertrauen nicht mehr auszusprechen. Deshalb ist es wichtig, dass bei Fehlern oder Meinungsverschiedenheiten ein respektvoller und wertschätzender Umgang miteinander gepflegt wird - ohne nach einem Schuldigen zu suchen.
Betrachten wir nochmals das obige Beispiel im Unternehmen: Die Mitarbeiter erwarten offensichtlich eine für sie zu harte „Strafe", wenn sie ihre Meinung offen kundtun.
Die Führungskraft braucht als Gespür und Können, um Vertrauen zu gewinnen:
- • Feedback auf eine wertschätzende und angstfreie Art zu kommunizieren,
- • um die Mitarbeiter auch in Zukunft zu ermuntern, ihre Meinung zu äußern,
- • aber auch neue Aufgaben und mehr Verantwortung zu übernehmen.
Genau wie beim Prinzip Selbstverantwortung ist es auch beim Thema Vertrauen wichtig dass eine Führungskraft in sich selbst vertraut - also Selbstvertrauen hat. Vertrauen darauf, dass sie ihre Aufgaben und Verantwortungsbereiche erfüllen kann. Ist dies nicht der Fall, findet sie im Nachhinein immer wieder Gründe die dagegen sprechen:
- • „Aber das konnte ich doch gar nicht lösen, das war zu viel..."
- • „Da hätte ich erst eine Schulung gebraucht..."
- • „Dazu hatte ich zu wenig Erfahrung..."
Inwiefern Selbst-Vertrauen und Selbst-Verantwortung zusammenhängen wird hier nochmals sehr deutlich:
Eine Führungskraft, die sich eine Aufgabe bzw. einen Verantwortungsbereich nicht zutraut (nicht selbst-vertraut), sollte sich selbst und anderen gegenüber die Verantwortung übernehmen (selbst-verantwortlich) und diese Aufgabe dann ablehnen.
Häufig erlebe ich aber, dass Führungskräfte das nicht tun, weil sie befürchten, dass sie vom Unternehmen oder dem Vorgesetzten zu einem späteren Zeitpunkt nicht erneut gefragt werden. Auch wenn sie sich später (weil sie sich fortgebildet oder an Erfahrung gewonnen haben) die Aufgabe zutrauen.
Hier fehlt also auch das Vertrauen ins Unternehmen seitens der Führungskraft oder das entsprechende Klima diese Sorge konkret auszusprechen.
Motivation: Sinnhaftigkeit und Spaß (an) der Arbeit
Ein weiterer zu beachtender Aspekt, wenn Mitarbeiter Verantwortung übernehmen ist das Thema Motivation. Mitarbeiter oder Führungskräfte, die morgens zur Arbeit kommen weil sie sonst keine andere Alternative sehen Geld zu verdienen, werden eine geringere Motivation für Verantwortung spüren. Sie werden das tun, was von Ihnen verlangt wird, aber kaum etwas darüber hinaus.
Deshalb sollte jeder die Aufgaben, die er im Unternehmen zu erledigen hat als sinnvoll erachten und bei der Arbeit auch Spaß oder Zufriedenheit empfinden.
Hier ergibt sich für die Führungskraft eine wichtige Aufgabe: Jeder Mitarbeiter, jeder Mensch, muss individuell betrachten werden. Denn die Motivation Verantwortung zu übernehmen ist bei jedem durchaus sehr unterschiedlich. So definiert jeder Mensch auch für sich den Begriff „sinnvoll" völlig anders. Dies gilt es als Führungskraft für jeden
einzelnen Mitarbeiter herauszufinden, gegenüber den Mitarbeiter zu kommunizieren und mit ihnen zu erarbeiten.
Fazit:
Verantwortung zu übernehmen bedeutet für Führungskräfte in erster Linie selbstverantwortlich zu handeln und den eigenen Mitarbeitern als glaubwürdiges Vorbild zu dienen. Dazu gehört eine von Vertrauen geprägte Unternehmenskultur, die Mitarbeitern und Führungskräften ermöglicht, auch Widerspruch einzulegen und Handlungen bzw. Entscheidungen kritisch zu hinterfragen. Neben Selbstverantwortung und Vertrauen ins Unternehmen braucht es für den einzelnen auch Selbst-Vertrauen und eine individuelle Motivation um bereitwillig Verantwortung zu übernehmen.
Ausblick: Nachdem ich in Teil 1) Verantwortungsübernahme bei Führungskräften definiert und Ziele ermittelt habe, ging es im zweiten Teil um Anspruch und Machbarkeit in der Praxis. Die Voraussetzungen für Verantwortung waren Inhalt dieses Beitrags. In Teil 4) werfen wir einen Blick auf Einflussfaktoren und Hindernisse rund um das Thema „Wenn Führungskräfte Verantwortung übernehmen".
Haben Sie eigene Fragestellungen zum Thema Verantwortungsübernahme bei Führungskräften? Ich freue mich über Ihre Anregungen und Kommentare oder Ihre Kontaktaufnahme.
Ihre Claudia Weiler