Führungskräfte und Glaubwürdigkeit: 5 Kriterien mit Praxis-Beispielen aus meinen Führungskräfte-Coachings
Glaubwürdigkeit ist die Basis für erfolgreiches Projektmanagement und Teamkommunikation. Woran erkennen Mitarbeiter und das Team, dass Führungskräfte glaubwürdig handeln? (Teil 2 – Kriterien für Glaubwürdigkeit mit Beispielen aus meiner Coaching-Praxis )
Anhand einer dreiteiligen Artikelserie möchte aufzeigen, welche Bedeutung die Glaubwürdigkeit von Führungskräften im modernen Management und der Unternehmensführung hat. Im ersten Teil habe ich erklärt was Glaubwürdigkeit genau ist und wie man sie beschreibt. Heute geht es um die Frage: An welchen Kriterien wird Glaubwürdigkeit fest gemacht? Dazu auch einige Beispiele aus meinen Coachings für Fach- und Führungskräfte.
Teil 2) Welche Kriterien bestimmen Glaubwürdigkeit?
1. Versprechungen einhalten
In Meetings werden häufig Vorankündigungen für geplante Vorhaben gemacht. Diese sind meist erst einmal Ideenskizzen, aber die vorschlagenden Führungskräfte oder einzelne Mitarbeiter erhalten bereits ein Lob für die gute Idee dahinter. Glaubwürdig wird die Idee oder der Ideengeber allerdings erst, wenn das Gesagte in die Tat umgesetzt wird. Genau wie der Hirtenjunge in Äsops Fabel glauben auch Mitarbeiter einer Führungskraft nicht mehr, wenn sie (wissentlich) Falschaussagen macht oder regelmäßig ihre Meinung ändert. Je häufiger das vorkommt, desto weniger glaubwürdig wird die Führungskraft eingeschätzt.
Praxisbeispiele:
Eine Führungskraft wünscht sich Offenheit und fordert sie auch offen ab von den Mitarbeitern. Doch die Mitarbeiter geben kein Feedback. Ein durch Zufall mitgehörtes Gespräch zwischen zwei Mitarbeitern bringt die Misere dann auf den Punkt: Die Mitarbeiter beschweren sich, dass die Führungskraft sich nicht klar genug ausdrückt.
Die Führungskraft ist enttäuscht und spricht dies offen gegenüber den Mitarbeitern an. Sie beschwert sich ihrerseits, dass sie sich mehr Offenheit wünsche, sie sich sehr wohl klar ausdrücke, die Mitarbeiter aber nicht richtig mitdenken würden etc.
Folge: Wie man schnell bemerkt, ist dies keine wirklich angenehme Atmosphäre um offen sprechen zu können. Schuldzuweisungen, Rechtfertigungen und Ausreden machen eine offene Aussprache und den offenen Umgang mit Kritik unmöglich.
Tipp 1: Glaubwürdigkeit muss sich eine Führungskraft erst verdienen. Zuallererst damit, dass Sie sich selbst an das hält, was sie verspricht - aber auch an das, was sie von den Mitarbeitern einfordert.
2. Vorbildfunktion wahren
Führungskräfte wissen um ihre Vorbildfunktion. In der Hektik des Arbeitsalltags geht dieses Wissen allerdings oftmals etwas verloren. Glaubwürdig sein anstatt scheinheilig zu wirken – auf die Details kommt es an, wie auch die nachfolgenden Beispiele aus meinen Coachings aufzeigen.
Praxisbeispiele:
Die Führungskraft sagt: „Wir müssen alle sparen!". Bei der nächsten Dienstreise greift die Führungskraft aber wieder auf das 1. Klasse-Ticket zurück, weil es ja laut Reiserichtlinie dem Abteilungsleiter zusteht.
Thema: Verspätet zur Arbeit kommen. Manchmal erlaubt sich die Führungskraft eine halbstündige Verspätung. War es doch beim Meeting am Vorabend so spät geworden.
Oder: Gegenseitiger Respekt und Wertschätzung ist erklärtes Unternehmensprinzip.
Beim Meeting lässt die Führungskraft die Mitarbeiter aber nicht ausreden.
Diese Beispiele verdeutlichen, dass auch Geringfügiges entscheidend ist, um vorbildlich und dadurch glaubwürdig zu erscheinen.
Tipp 2: Glaubwürdigkeit darf nicht durch Scheinheiligkeit aufs Spiel gesetzt werden. Vorbildhaftes Handeln überzeugt – gerade auch im täglichen Arbeitsalltag und bei sogenannten Kleinigkeiten.
3. Kommunikationsfähigkeit auf- und ausbauen
Gut und verständlich zu kommunizieren ist für Führungskräfte besonders wichtig, um bei Mitarbeitern Glaubwürdigkeit zu erlangen. Dabei kommt es darauf an, einige kommunikative Fallstricke zu vermeiden.
- eindeutig sein – Lässt die Führungskraft Inhalte weg, weil sie meint, sich bereits deutlich ausgedrückt zu haben oder im Zweifel Angst vor den möglichen Folgen des Gesagten hat, führt das zu Interpretationsspielraum. Unsicherheit und Missverständnisse können die Folge sein.
- Aktiv zuhören – auf die Sorgen, Ängste, Wünsche und Erfolge von denen Mitarbeiter sprechen zu hören, auch ihre Emotionen bei bestimmten Themen zu verstehen, stützt die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter und schafft Raum, um besser auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter einzugehen und Missverständnisse oder fehlende Akzeptanz zu vermeiden.
Praxisbeispiele:
In einem Jahresgespräch möchte der Mitarbeiter eine Beförderung erreichen. Die Führungskraft vermeidet es, dem leistungsstarken Mitarbeiter die Wahrheit zu sagen. Dass sie mangels unternehmerischen und strategischen Denkens bei ihm keine Beförderung sieht.
Um den Mitarbeiter nicht zu vergraulen und ihn an der jetzigen Position zu binden, weicht sie aus: Es gäbe derzeit keine Vakanzen.
Wird nun ein Kollege des Mitarbeiters befördert, weicht die Glaubwürdigkeit des Vorgesetzten auf. Fazit: Es ist besser, dem Mitarbeiter keine leeren Versprechungen zu machen und nach Alternativen zu suchen.
In einem meiner Coachings hatte eine Führungskraft aus Angst einen loyaler Mitarbeiter zu verlieren, ihn bereits sieben Jahre auf eine Beförderung warten lassen. Nach dem Coaching war es für den Mitarbeiter eine Erleichterung nun Bescheid zu wissen. Aus Loyalität und wegen des guten Verhältnisses zu Kollegen und der Arbeitsatmosphäre dort blieb er und man bot ihm an als Ausbilder in seiner Position eine zusätzliche Aufgabe zu übernehmen.
Tipp 3: Glaubwürdigkeit beruht auch auf einer ausgewogenen, guten Kommunikationsfähigkeit. Aktives zuhören und eindeutig sein hilft die Kommunikation im Team zu optimieren. Sind Führungskräfte verlässlich im Handeln und Kommunizieren wächst ihre Glaubwürdigkeit bei den Mitarbeitern.
4. Beständig sein
Zentrale Aussagen sollten auch nach längerem Zeitraum bestand haben und auch nicht jedes Quartal neu interpretiert werden. Gerade heute werden oft Change Management Prozesse in Unternehmen angestoßen und bevor die Umsetzung der geplanten Maßnahmen alle umgesetzt sind, kommt das Management schon wieder mit neuen Vorschlägen. Gerade grundlegende Entscheidungen wie zum Beispiel eine neue Produktlinie auf den Markt bringen, Social Media Strategien in die Marketingstrategie aufnehmen oder auch die Förderung von Diversity-Gedanken brauchen Zeit, denn die Mitarbeiter und die Kunden müssen sich erst mal an die Neuerungen gewöhnen
Praxisbeispiele:
In meiner Praxis als Führungskräfte-Coach hatte ich mal einen Fall, bei dem eine Führungskraft (Abteilungsleiter) stolz verriet: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern, heute ist alles anders." Was war die eigentliche Absicht seiner Aussage? „Seht her, ich bin flexibel, kann schnell auf Veränderungen in einem dynamischen Markt reagieren."
Bei den Mitarbeitern der Abteilung kam das aber so nicht an. Die Mitarbeiter-Reaktionen auf Projekte oder Arbeitsaufträge seitens des Abteilungsleiters waren anders: „Warten wir erst mal bis nächste Woche ab, ob der Auftrag noch gilt. Wir machen uns doch nicht jetzt schon die Arbeit ohne zu wissen, ob das Projekt wirklich durchgeführt wird."
Folge: Die Abteilung wurde immer langsamer, die Reaktionen auf den Markt träger und die Stimmung untereinander immer schlechter aufgrund mangelnden Erfolgs und sinkenden Vertrauens in die Führungskraft.
Tipp 4: Zu seinen Entscheidungen und Aussagen zu stehen, auch Fehler zuzugestehen zeichnet eine Führungskraft aus und verhilft ihr zu mehr Glaubwürdigkeit. Zu der sich so meist auch automatisch Respekt und Wertschätzung gesellt. Probieren Sie es aus!
5. Eigenes Selbstverständnis entwickeln
Die innere Haltung einer Führungskraft sowie ihre Außenwirkung - auf Mitarbeiter, Lieferanten und Kunden – müssen stimmig sein. Die inneren Werte und Überzeugungen müssen also auch mit ihrem Handeln übereinstimmen. Ein hohes Maß an Selbstreflexion ist dafür nötig, um zu sich und seinen Handlungen und Aussagen zu stehen. Hinzu kommt eine ausgeprägte aktive und passive Kritikfähigkeit, die Wertschätzung für das Gegenüber, aber auch sich selbst einschließt.
Darüber hinaus wirkt sich eine Kultur des Geben und Nehmens positiv auf die Glaubwürdigkeit einer Führungskraft aus. Es darf keine Übervorteilung oder Benachteiligung einzelner Personen oder Gruppen geben. Das führt zu Misstrauen und schlechter Stimmung unter den Teammitgliedern. Besser ist es, wenn die Führungskraft für Erfolge sorgt und diese sichtbar werden lässt – für das Team, die Geschäftsführung und nach außen hin.
Tipp 5: Über die Reflexion des eigenes Handelns und eine Fehlerkultur, die Fehler als Chance zum Lernen begreift, kann die Führungskraft sich selbst und gleichzeitig ihr Team weiterentwickeln. So entsteht Vertrauen und der Führungskraft wird bei kongruentem Verhalten Glaubwürdigkeit geschenkt.
Im dritten Teil geht es um die Frage „Welchen Nutzen bringt Glaubwürdigkeit?". Aus der Perspektive der Führungskraft, des Mitarbeiters und des Unternehmens selbst.
Haben Sie Fragen oder Anmerkungen? Ich freue mich auf Ihre Kommentare.
Ihre Claudia Weiler