Volatilität: Im Wandel liegt die Stabilität

„Nichts ist so beständig wie der Wandel (Heraklit von Ephesus (etwa 540 - 480 v. Chr.)“

Den Wandel gab es schon immer und wir Menschen haben uns auch schon sehr lange damit auseinander gesetzt.

Wandel bedeutet Entwicklung und auch (technischen) Fortschritt. Doch es gibt nicht nur Gewinner, es gibt auch Menschen, die mit dem Wandel oder besser gesagt mit der Wechselintensität der eigenen Umwelt nicht zurechtkommen. Gerade in der heutigen Zeit sehen sich Unternehmen und Führungskräfte einer Umwelt ausgesetzt, die immer mehr eine abnehmende Prognosefähigkeit der Entwicklungen aufzeigt, die Rahmenbedingungen für Unternehmen immer dynamischer werden, wichtige (Kern-)Kompetenzen sind nicht mehr vorhersehbar und die Komplexität erhöht ist.

Welche Ursachen gibt es, wo liegen die Herausforderungen für Unternehmen und Führungskräfte und welche Lösungsansätze gibt es schon heute? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der folgende Blogbeitrag.

Ursachen für eine erhöhte Volatilität:

Die zunehmende Globalisierung führt dazu, dass Kunden immer mehr die Möglichkeit haben die gleiche Dienstleistung oder das gleiche Produkt irgendwo in der Welt ebenfalls einzukaufen mit der gleichen Qualität und/oder mit einem günstigeren Preis. Die Markenloyalität sinkt und die Wechselbereitschaft der Kunden steigt. Dies erfordert wiederum von den Unternehmen eine immer größer werdende Servicebereitschaft und Kundenbindung, um auch Schwankungen der Preise und der Marktteilnehmer auf dem Markt auszuhalten.

  • Die Unternehmen, Ihre Lieferanten, Kunden und andere Interessensgruppen sind immer mehr miteinander vernetzt. Dies führt dazu, dass die Komplexität für die Unternehmen steigt. Eine Unternehmensentscheidung hat nicht nur folgend für das eigene Unternehmen und deren Mitarbeiter sondern oft auch für eng verbundene Unternehmen und wie diese auf die Entscheidung reagieren ist oft nicht vorhersehbar.
  • Neue Technologien und gestiegene Kommunikationsgeschwindigkeit führen zu transformierten Märkten und Nutzungsverhalten (Beispiel: Kodak als einer der Marktführer für Fotografie. Kodak entwickelte den ersten Prototypen (Quelle: Wikipedia), konnte aber diesen Entwicklungsvorsprung nicht nutzen und verlor an andere Marktteilnehmer den Markt. Ebenso im Bereich der Smartphones, durch die Nokia seine Marktführerschaft verlor. Hinzu kommt, dass durch die gestiegene Kommunikationsgeschwindigkeit Informationsvorteile an Bedeutung verlieren. Außerdem entsteht durch die schnelle Verbreitung die Möglichkeit der Manipulation der Informationen wie unlängst der amerikanische Wahlkampf zeigte. Die einmal verbreiteten Informationen sind schwer wieder zurückzuholen und die Inhalte löschen und korrigieren sich nur langsam in den Köpfen der Menschen. Die Geschwindigkeit der Informationen und die dadurch entstehende Unsicherheit führt dazu, dass Unternehmen schneller und flexibler in Bezug auf Produktentwicklungen aber auch in Bezug auf Kommunikationstechnologien reagieren müssen.
  • Zuletzt bedeutet der immer größer werdende Wunsch in der Gesellschaft nach Individualität, dass Kundenwünsche immer spezifischer werden und damit die Produktlebenszyklen und die produzierte Menge pro Entwicklungstyp immer kleiner werden. Dies erfordert ebenfalls immer neue Innovationen und neue Lösungen für die Produktion und damit eine erhöhte Volatilität in Unternehmen.

Herausforderungen für Führungskräfte:

Für Unternehmen und Führungskräfte bedeutet das, dass Sie viele Widersprüche und Mehrdeutigkeiten im Unternehmen aushalten müssen. So gilt es trotz aller Wandlungsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit auch eine Stabilität für die Mitarbeiter und für die Prozesse im Unternehmen zu erreichen. Dabei ist es besonders herausfordernd für Führungskräfte, dass sie Mitarbeiter mit einer unterschiedlichen Bereitschaft für Veränderungen haben. Es wird Mitarbeiter geben, die sehr schnell auf die Veränderung zugehen und diese aktiv Vorantreiben, entweder weil Sie selbst diesen Wandel mögen und Neugierig auf das sind, was passiert und/oder weil sie einen konkreten Vorteil aus der Veränderung herausziehen können. Und es wird die Mitarbeiter geben, die lieber an ihren bewährten Strategien festhalten wollen, weil sie sich damit auskennen und dies ihnen Sicherheit gibt und Sie zufrieden sind so wie es ist. Oder auch weil sie persönliche Nachteile aus der Veränderung heraus befürchten. Ein weiterer Grund für mangelnde Veränderungsbereitschaft kann auch sein, dass die Mitarbeiter bereits so viele Veränderungen erlebten, dass sie ein Zuviel an Veränderungen erleben und dies die Veränderungsbereitschaft bei diesen Mitarbeitern reduziert.

In meinen Seminaren und Trainings mache an dieser Stelle gerne eine Übung, in der die Teilnehmer immer wieder drei Dinge an Ihrer Kleidung, ihrer Körperhaltung verändern sollen. Es gibt immer welche die das Spiel lustig finden und auch nach der dritten Runde noch eine Idee haben, was sie noch verändern können. Es gibt aber auch immer wieder Teilnehmer, die schon nach der ersten Runde wieder alles Rückgängig machen oder die Augenverdrehen, weil ihnen die Veränderungen unangenehm sind. Beobachten Sie mal, wer in Ihrem Freundeskreis über das letzte Jahr sagt: Es war viel los, ich hoffe 2017 wird ruhiger und wer zufrieden war oder sich vielleicht mehr Veränderungen wünscht und vergleichen Sie mal, ob die Veränderungen bei ähnlichen Aussagen auch ähnlich groß und schwierig waren. Ich bin überzeugt, dass es Freunde gibt, die weniger und weniger tiergreifende Veränderungen erlebt haben, aber mehr stöhnen wie andere. Diese Diskrepanz kommt wahrscheinlich dadurch zustande, dass zum einen es einen Unterschied macht, ob ich selbst die Veränderung herbeigerufen habe und mich willentlich dazu entschlossen habe und wie die eigene Veränderungsbereitschaft gerade ist.

Und genau vor dieser Herausforderungen stehen auch Unternehmen und Führungskräfte. Sie müssen sowohl für das gesamte Unternehmen die Geschwindigkeit der Veränderungen steuern und dabei auch jeden einzelnen Mitarbeiter im Auge behalten und dessen momentane Veränderungsfähigkeit beachten.

Planung und starre Strategiekonzepte haben ausgedient

Zuletzt greifen aufgrund der hohen Wechselintensität die herkömmlichen Planungen und Strategien nicht mehr. Die Planungszeiträume und auch die bisherigen Planungsinstrumente geben keine fundierte Grundlage für die Zukunft mehr. Es braucht neue Konzepte, die schneller und agiler reagieren können. Das Scrum-Modell aus dem IT-Bereich greift auf immer häufiger als Management-Instrument und wird vielfältig eingesetzt. So werden kleinere Etappen eingelegt und auf die aktuelle Entwicklung auch Tagesaktuell reagiert und agiert. Zudem werden immer wieder Rückkoppelungsschleifen eingesetzt, um zu sehen, wo die einzelnen Teams stehen, wo Unterstützung gebraucht wird, wo es gut läuft und man voneinander lernen kann. Es werden nicht nur quantifizierbare Ziele in das Gesamtkonzept miteinbezogen, sondern auch qualitative Ziele wie zum Beispiel Kreativität, Agilität und Innovation.

So können Handlungsoptionen aufrechterhalten werden. Hinzu kommt, dass das Management über freie Ressourcen verfügen muss, damit auch mal etwas schief gehen kann. Fehler haben keine so große Auswirkung und man kann innerhalb des Unternehmens damit gelassener umgehen. Der Druck sinkt und schafft Kreativitätsfreiräume.

Das Team/das Unternehmen bringt sich somit in eine Position, die nicht zu einer bestimmten Handlung zwingt, sondern unterschiedliche Optionen offen hält und zulässt. Trotz aller Agilität und Flexibilität braucht ein Unternehmen eine Vision, die dem System zeigt, wo die Reise hingehen soll. Eine Vision lässt jedoch genügend Handlungsspielraum, um die Wege und Inhalte hin zur Vision auszugestalten.

Kulturwandel in Unternehmen:

All das führt zu einem Kulturwandel in Unternehmen. So werden eine Kultur, in der Innovationen möglich sind immer wichtiger, um auch morgen noch auf dem Markt mithalten zu können. Einige Märkte haben es schon gezeigt, dass die Disruption Einzug gehalten hat, so im Hotelgewerbe, in dem einer der größten Bettenvermieter kein einziges Zimmer selbst besitzt, Smartphones, die fast vollständig Handys mit Tastatur ersetzen und es gibt Prognosen, die besagen, dass das Elektroauto bald mehr auf der Straße zu finden ist wie herkömmliche Autos mit Kraftstoffantrieb.

Damit braucht es eine positive Fehlerkultur in Unternehmen, die erlaubt, dass es Fehlentwicklungen gibt. Denn nur wenn Unternehmen Dinge ausprobieren und testen, können Sie feststellen, ob eine Neuentwicklung am Markt erfolgreich ist oder nicht. Dies erfordert Vertrauen, Mut und eine hohe Frustrationstoleranz.

Außerdem werden Hierarchien an Bedeutung verlieren. Es geht immer weniger darum seine Funktion und seinen Status im Unternehmen zu halten, sondern mehr darum, dass innerhalb des Unternehmens abteilungs- und auch unternehmensübergreifend Kooperationen gefördert und genutzt werden, die einen Austausch an Informationen und Weiterentwicklungen fördern. Dies erfordert eine hohe Transparenz, damit alle im Unternehmen wissen, was gerade bei den anderen Abteilungen passiert.

Zuletzt erkennt plädieren immer mehr Unternehmenslenker auch für eine Selbstorganisation in Unternehmen. Teams, die sich selbst organisieren können, können dadurch schneller auf Veränderungen reagieren, haben kürzere Entscheidungswege und können agil handeln.

Konsequenzen für die Führung:

In der Vergangenheit war eine Führungskraft in der Pflicht Antworten und eine klare Orientierung zu geben. Diese Erwartungen finden sich noch sehr häufig in den Unternehmen dies zeigt sich zum Beispiel auch in vielen Stellenanzeigen, in denen immer noch Durchsetzungsfähigkeit und hohe Zielorientierung gefragte Führungseigenschaften sind. Der Umgang mit Komplexität, Mehrdeutigkeit und hohe Innovationskraft werden hingegen deutlich seltener genannt. Doch gerade das braucht eine Führungskraft in einem volatilen Umfeld nicht mehr. Sie muss schnell auf veränderte Bedingungen reagieren und was heute noch effektiv war, kann morgen schon nicht mehr bedeutend sein. Damit sind Pläne und ihre Haltbarkeit nicht mehr berechenbar. Die Führungskraft und die Mitarbeiter brauchen ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit, damit das Unternehmen und/oder die Abteilung nicht sich durch die eigenen Erwartungen in eine bestimmte Ecke drängt und damit den Anschluss auf dem Markt verpasst. Die innere Haltung bei Führungskräften, dass alles planbar ist und berechenbar sein muss, gilt es aufzugeben. Und auch Mitarbeiter müssen ihr Bild von einer Führungskraft, die weiß wo es langgeht verändern und sich mehr in einer Verantwortungsgemeinschaft eingebunden fühlen. Auch sie müssen ihren Beitrag leisten. Es gilt miteinander zu kooperieren und ein wendiges Team aufzubauen, das sich nicht nur mit sich selbst beschäftigt, sondern auch schnell wahrnimmt, was in seiner Umgebung passiert und darauf flexible Antworten hat. Machtspiele und das Festhalten an einer hierarchischen Funktion bremsen alle in einem volatilen Umfeld aus. Hingegen werden Teamplayer, Visionäre und überzeugende Führungskräfte ihre Teams zukunftsfähig aufstellen.

Und trotz aller Fluktuation ist es auch die Aufgabe einer Führungskraft eine Vision aufzubauen, um eine Sinnhaftigkeit für alle im Auge zu haben. Diese Vision kann für alle eine Entscheidungs- und Handlungsorientierung geben, auch dann, wenn es mal stürmisch wird und der bereits eingeschlagene Weg in eine Sackgasse geführt hat. Die Vision und die ständige Dynamik sind die Stabilität in einer wechselintensiven Umgebung.

Letzte Änderung am Sonntag, 15 November 2020 15:33
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